Eine Strukturbilanz ist eine aufbereitete Bilanz, bei der durch Umgruppierungen, Umgliederungen, Saldierungen, Aufspaltungen und Neubildungen von Bilanzpositionen die Aussagekraft der Bilanz zum Zweck der Bilanzanalyse erhöht werden soll. Dazu werden auch zusätzliche Informationen mit verarbeitet, die teilweise über die Geschäftsberichte veröffentlicht wurden, teilweise aber nur intern im Unternehmen zur Verfügung stehen. Gerade stille Reserven, die bei der Erstellung von Strukturbilanzen mit aufgenommen werden sollen, sind öffentlich in der Regel unbekannt und sind auch unternehmensintern nur selten bezifferbar.
Bei der Verwendung von Strukturbilanzen für die Bildung von Kennzahlen sollte man große Vorsicht walten lassen. In der externen Berichterstattung, in Geschäftsberichten, Unternehmensnachrichten oder ähnlichem, ist die Anpassung von Bilanzpositionen zum Zweck der Kennzahlenbildung natürlich immer dem Verdacht der Manipulation ausgesetzt, mit der ein Unternehmen besser dargestellt werden soll, als es ist. Dem externen Leser einer Bilanz stehen viele Informationen aber auch gar nicht zur Verfügung, um eine Strukturbilanz erstellen und veröffentlichte Kennzahlen nachvollziehen zu können. Der Versuch, dann nur teilweise eine Strukturbilanz auf Basis öffentlicher Informationen aufzustellen, lässt erst recht den Verdacht des Manipulationsversuchs aufkommen. Bei internen Berichten besteht das Risiko, dass durch Veränderungen der Bilanz für Analysezwecke, die Vergleichbarkeit zu den extern veröffentlichen Kennzahlen und Daten nicht mehr gegeben ist. Zudem besteht die Gefahr, dass durch die Anpassungen einzelne Positionen ohne Verantwortung bleiben, da sie als vermeintliche „Sonderpositionen“ an jeder Stelle ausgegliedert werden. Dann sind zwar die Kennzahlen hübsch, ein Problem in den „Sonderpositionen“ wird aber nicht erkannt.
Die Erstellung von Strukturbilanzen ermöglich dagegen aber die Vereinheitlichung von Bilanzen verschiedener Unternehmen. Dies ist vor allem bei Branchenvergleichen von Bedeutung. Bestimmte Kennzahlen, wie die Liquiditätskennzahlen, sind oft erst durch die Aufbereitung der Bilanz bildbar. Bei Kennzahlen, die Positionen aus der Gewinn- und Verlustrechnung verwenden, sind die dazu nötigen Werte bspw. oft nicht verfügbar, wenn die GuV nach dem Umsatzkostenverfahren aufgestellt wurde. Die notwendigen Informationen für eine GuV nach Gesamtkostenverfahren sind dann oft im Anhang angegeben.
Einige in der Literatur angegebenen Anpassungen für Strukturbilanzen sind darüber hinaus grundsätzlich in Frage zu stellen. Als Grund für die Erstellung von Strukturbilanzen gilt die stark gesetzesgetriebene Erstellung von Bilanzen in Mitteleuropa sowie ein hoher Anteil von stillen Reserven, der sich aus dem Ziel des Gläubigerschutzes ergibt. Als Konsequenz werden bei der Erstellung von Strukturbilanzen stille Reserven bspw. bei Grundstücken und Vorräten hinzugerechnet. Im Gegenzug wird aber ein Geschäfts- und Firmenwert mit dem Eigenkapital verrechnet, obwohl der Geschäfts- und Firmenwert ja gerade die Aufdeckung von stillen Reserven und nicht bilanzbarer Vermögenswerte beinhaltet. Als Begründung heißt es oft, dass bspw. bei stillen Reserven von Grundstücken ein „echter“, verkaufbarer Vermögensgegenstand zum jeweiligen Wert vorhanden sei, bei Geschäfts- und Firmenwerten jedoch nicht. Dabei wird dann allerdings unterschlagen, dass Marktpreise auch für Grundstücke innerhalb eines Jahres wieder deutlich sinken können, während bspw. Markennamen, günstige Lieferwege und Verkehrsanbindungen, selbst entwikelte Patente und ähnliches oft Jahrzehnte ihren Wert behalten oder sogar steigern und andere den Wert auch bezahlen würden, um dies erwerben zu können.
Bei der Bildung von Kennzahlen sollten Umwandlungen von Bilanzen in Strukturbilanzen unterbleiben. Oft gibt es nur unzureichende Informationen über Sachverhalte, die üblicherweise in Strukturbilanzen angepasst werden. Vor diesem Hintergrund muss die Frage gestellt werden, ob eine angepasste Bilanz auf Basis unzureichender Informationen und gegebenenfalls Annahmen tatsächlich ein besseres Bild über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens liefert als eine nach gesetzlichen Vorschriften aufgestellte und durch Wirtschaftsprüfer testierte Bilanz. Kennzahlen sind ohnehin nicht absolut und isoliert bewertbar. Es müssen immer Vergleiche über die Zeit (innerer Betriebsvergleich) oder zwischen verschiedenen Unternehmen, möglichst derselben Branche, (äußerer Betriebsvergleich) stattfinden, da, wie wir bspw. im Fall des Net Working Capital zeigen, je nach Branche positive bzw. negative Werte mal als gut und mal als schlecht zu werten sind. In beiden Fällen sind mögliche Verzerrungen sowohl in den ermittelten als auch in den Vergleichskennzahlen enthalten. Hierbei werden Sondereffekte oft herausgerechnet, was dann tatsächlich ein klareres Bild ermöglicht. Die generelle Anpassung der Bilanzen über Strukturbilanzen liefert in der Regel aber keine anderen Erkenntnisse über die Kennzahlen als ohne Anpassungen. Die Umwandlungen von Bilanzen erübrigt sich also und sollte somit angesichts der bestehenden Problematiken vermieden werden.