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Liquidität 3. Grades

Die weitaus bedeutendste Kennzahl der drei Liquiditätsgrade ist die Liquidität 3. Grades, auch bezeichnet als Warenliquidität, umsatzbedingte Liquidität oder current ratio. Diese Bedeutung ergibt sich unter anderen aus dem Zusammenhang zur Kennzahl Working Capital. Bei dieser wird das gesamte Umlauf­vermögen, also das gesamte kurzfristige Vermögen, den kurzfristigen Verbindlichkeiten gegenüber­gestellt:

Liquidität 3. Grades = Umlaufvermögen × 100 %
kurzfristige Verbindlichkeiten

Aussagekraft der Kennzahl

Oftmals sind die kurzfristigen Verbindlichkeiten zum überwiegenden Teil innerhalb eines Monats fällig. Der gesamte Betrag ist dann innerhalb eines Jahres zu begleichen. Gedeckt sind die Verbindlichkeiten in der Betrachtung dieser Kennzahl erst einmal durch die liquiden Mittel. Diese stehen sofort zur Zahlung offener Rechnungen, der Steuerschuld und anderer Verpflichtungen zur Verfügung. Danach folgen die Wertpapiere, die im Zweifel meist sehr kurzfristig in liquide Mittel getauscht werden können. Als nächstes werden die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen zu Geld. Diese haben meist eine Fälligkeit von 10 Tagen und abhängig von der Branche werden vom gesamten Betrag bspw. 70 % innerhalb des folgenden Monats von den Kunden bezahlt. Mit diesen drei Positionen sollten die kurzfristigen Verbindlichkeiten normalerweise auch schon bezahlt werden können. Dieses wird auch über die Kennzahl Liquidität 2. Grades gemessen, welche dann auch mindestens 100 % betragen sollte.

Für den Fall, dass dies aber noch nicht reicht, können auch noch die Vorräte zur Deckung herangezogen werden. Diese bestehen zum einen aus fertigen Produkten, die zum Verkauf stehen und in nächster Zeit zu Verbindlich­keiten aus Lieferungen und Leistungen und nachfolgend zu liquiden Mitteln werden. Darüber hinaus bestehen die Vorräte auch aus Rohstoffen und Halbfertig­produkten. Aus diesen können natürlich fertige Produkte hergestellt werden die sich wiederum verkaufen lassen, die Rohstoffe können im Zweifel aber auch wieder verkauft werden und würden dann, sobald die daraus entstehenden Forderungen beglichen sind, als liquide Mittel zur Verfügung stehen.

Zielwerte

Als Zielwert für die Liquidität 3. Grades werden oft die Werte mindestens 120 % und mindestens 200 % genannt.

Der Wert 200 % wird aus der „banker’s rule“ übernommen, einer Anforderung US-amerikanischer Banken. Dabei gilt aber zu beachten, dass die in den USA verwendeten Rechnungs­legungs­standards, wie das US GAAP, eigenkapital­geber­orientiert sind und damit ein optimistischeres Bild der Unternehmens­situation zeigen. Die in Deutschland, Österreich und der Schweiz verwendeten Rechnungs­legungs­standards orientieren sich an den Fremdkapital­gebern und liegen einem ausgeprägten Vorsichts­prinzip zugrunde. Der Unterschied zwischen beiden Werten kann allerdings nur teilweise durch die unterschied­lichen Rechnungs­legungen erklärt werden, da der Unterschied in den Bilanzpositionen, die in der Liquidität 3. Grades verwendet werden, gar nicht so groß ist. Zu betrachten ist auch das generelle Umfeld und deren Risiken, wie die übrigen Bilanz- und GuV-Positionen, das jeweilige Insolvenzrecht, die unterschiedlichen, typischen Kapital­strukturen nordameri­kanischer und europäischer Unternehmen, die Markt­strukturen, typische Branchen usw. Dass vor diesem Hintergrund bei US-amerikanischen Bilanzen die Fremdkapitalgeber eine erhöhte Vorsicht zeigen und mindestens 200 % ansetzen, ist völlig in Ordnung. In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind daher oft „mindestens 120 %“ ausreichend, um von einer gesunden Liquiditätsausstattung des Unternehmens sprechen zu können. Mit zunehmender Anpassung der Rechnungs­legungen und der Verwendung von IFRS kann sich dies aber auch ändern.

Aussagekraft der Zielwerte

Eine Liquidität 3. Grades von unter 100 % wäre nicht nur schon sehr kritisch, sondern würde dann auch gegen die Goldene Bilanzregel verstoßen, nach der die langfristigen Vermögens­gegenstände auch langfristig finanziert sein sollen. Dadurch müssen die kurzfristigen Vermögensgegenstände, welches das Umlaufvermögen ist, einen höheren Wert haben als die kurzfristigen Verbindlichkeiten. Ein länger anhaltender Wert von unter 90 % in Deutschland und unter 95 % in Österreich kann nach der Rechtsprechung in diesen Ländern sogar ein Grund zur Anmeldung der Insolvenz sein, wenn die kurzfristigen Verbindlichkeiten bspw. im Wesentlichen aus sonstigen Verbindlichkeiten und Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen bestehen, die in Kürze fällig werden oder vielleicht schon fällig sind.

Allerdings kann die Liquidität des Unternehmens auch über die Aufnahme von Darlehen oder durch eine Eigen­kapital­erhöhung wieder hergestellt werden. In der Kennzahl fehlen zudem vorhandene Kreditlinien, die zur Zahlung der kurzfristigen Verbindlichkeiten ebenfalls noch ausgeschöpft werden können. Auch Unternehmen, die sich in großem Umfang vergebene Lizenzen, Versicherungen, Nutzungsrechte oder ähnliches, meist mit einjähriger Vertragslaufzeit, am Anfang der Vertragslaufzeit bezahlen lassen, können eine Liquidität 3. Grades von unter 100 % haben und als gesund gelten, weil sich diese Unternehmen dauerhaft über Kundenan­zahlungen finanzieren. Wie bei allen anderen Kennzahlen auch, ist also auch hier eine kritische Betrachtungsweise und eine Analyse weiterer Kennzahlen und des Unternehmensumfeldes notwendig.