Logo Begriffe und Methoden nachschlagen

Beispiel ohne Lagerbestände: ein Dienstleister

Auch im Bereich der Dienst­leistungs­unternehmen gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen. Es kann Unternehmen mit einem großen Anteil im Anlagevermögen geben, wie die Bahn mit ihrem Schienennetz, Bahnhöfen, Zügen usw., deren Anlagevermögen über 70 % der Bilanzsumme ausmachen. Andere Unternehmen, wie Reinigungs- und Wachdienste, haben fast kein Anlagevermögen oder Lagerbestände. In unserem Beispiel betrachten wir einen Dienstleister mit einem Anlagevermögen, dass mit den obigen Beispielen der produzierenden Unternehmen vergleichbar ist, es hat jedoch keine Lagerbestände.

Bilanz – Dienstleistungsunternehmen:
Aktiva Passiva
Anlage­vermögen1 000
Umlauf­vermögen650
Vorräte0
Forderungen (LuL)200
sonstige Forderungen210
Zahlungsmittel240
  
Eigen­kapital400
Fremd­kapital1 250
Rück­stellungen350
Darlehen150
kfr. Verb. ggü. Kreditinstituten100
erhaltene Anzahlungen0
Verbindlichkeiten (LuL)50
sonstige Verbindlichkeiten600
1 6501 650

Das langfristige Darlehen der Bank beträgt 150 G. Das Unternehmen muss keine Produktion vorfinanzieren. Viele Dienstleister zeigen zudem eine sehr hohe Flexibilität am Markt, wie bspw. Call Centre oder Reinigungsfirmen. Sie gehen dadurch schneller hohe Risiken ein, weil sie durch flexible Verträge mit Mitarbeitern, Nutzung von Personal­dienstleistern oder auf Basis einer sehr hohen Mitarbeiter­fluktuation sehr schnell Kapazitäten beim Personal auf- und vor allem auch abbauen können. Daher finanziert sich unser Beispielunternehmen auch mit im Vergleich zu den obigen Beispielen hohen kurzfristigen Darlehen der Bank von 100 G.

Gewinn- und Verlustrechnung – Dienstleistungsunternehmen:
+Umsatzerlöse2 400
+Bestands­veränderungen0
=betriebliche Leistung2 400
-Materialaufwand300
-Personalaufwand1 500
-andere Aufwendungen330
-Abschreibungen200
=Betriebsergebnis (EBIT)70
-Zinsen10
=Jahresüberschuss60

In diesem Beispiel ist das Working Capital mit -100 G sehr niedrig. Eine Liquidität 3. Grades von 87 % würde große Risiken in der Zahlungsfähigkeit vermuten lassen. Jedoch ist auch dieses Unternehmen gut aufgestellt. Ein Dienstleister kann oft in kritischen Situationen sehr schnell mit Änderungen in der Größe und der Struktur reagieren. Durch diese schnelle Anpassungsfähigkeit wird Personal in extremen Fällen sogar erst dann eingestellt, wenn ein Auftrag mit einem Kunden unterschrieben ist. Das Unternehmen geht damit Zahlungsverpflichtungen bspw. gegenüber Arbeitnehmern, erst dann ein, wenn ein Kunde einen Auftrag unterschrieben hat. Des Weiteren müssen Dienstleistungsunternehmen teilweise auch kaum Investitionen tätigten und damit Anlagen vorfinanzieren und haben kaum Kapital in Rohstoffen und Materialien gebunden.

Kennzahlen:
Working Capital-100
Net Working Capital-340
Liquidität 3. Grades87 %
 
Eigenkapitalquote24 %
Eigenkapitalrendite15 %
Gesamtkapitalredite6 %
Umsatzrendite2,5 %

WC / Umlauf­vermögen -15 %

Gerade Bereiche der Dienstleistungen, in denen keine Gelder für Maschinen, Anlagen und Rohstoffe eingesetzt werden müssen, können Risiken sehr schwer über Kennzahlen abgeschätzt werden. Es gibt Unternehmen, die kaum Konkurrenz fürchten müssen und hohe Preise nehmen können. Dies kann an speziellen Kenntnissen und Fähigkeiten der Mitarbeiter liegen, wie bei Programmierunternehmen, oder an langen Geschäftsbeziehungen, an die ein neues Unternehmen nur sehr schwer herankommt. Manchmal sind es auch spezielle Regelungen und Beziehungsgeflechte, wie bei den Schankwirten auf dem Münchner Oktoberfest. Andere Unternehmen, die die gleiche Bilanz vorzeigen können, haben große Risiken, weil es für neue Unternehmer wegen der fehlenden Investition sehr leicht ist, auf dem Markt erfolgreich zu sein, wie bei Logistikunternehmen oder Reinigungsfirmen und Wachdiensten. Gerade hier, sind die Risiken eines Unternehmens in der Bilanz nur schwer ablesbar.